Auswertung der AGA-Instruktoren-Umfrage: „Nachbehandlungsschemata nach isolierter Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes“

Auswertung der AGA-Instruktoren-Umfrage: „Nachbehandlungsschemata nach isolierter Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes“

Datum: 09.03.2017

AGA-Komitee „Prävention, konservative Therapie und Rehabilitation“

Auswertung der AGA-Instruktoren-Umfrage:  
„Nachbehandlungsschemata nach isolierter Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes“

Die Nachbehandlung nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes ist nach wie vor ein vieldiskutiertes kontroverses Thema. Die existierenden Nachbehandlungsschemata unterscheiden sich teils erheblich.

Das AGA-Komitee für Prävention, konservative Therapie und Rehabilitation hat sich daher zum Ziel gemacht, die aktuell bestehenden Schemata zu erfragen und mit der bestehenden Literatur zu vergleichen. Zu diesem Zwecke wurden in einem ersten Schritt 85 anerkannte AGA-Instruktoren befragt. 51 Instruktoren haben den Fragebogen komplett und somit auswertbar beantwortet. Der im Komitee erstellte Fragebogen umfasste 23 Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Zum Teil waren Mehrfachnennungen möglich.

 

Ergebnisse:

45 AGA-Instruktoren gaben an, mehr als 100 isolierte VKB-Rekonstruktionen pro Jahr durchzuführen.
Bei der gewählten Operationstechnik war eine Mehrfachnennung möglich (siehe Abbildung 1):

Ihre OP-Technik ?

Bei 13,7% der Befragten ist eine Vollbelastung der operierten Extremität direkt postoperativ erlaubt. 50,98% erlauben eine Vollbelastung nach 2 Wochen, 31,37% nach 4 Wochen (siehe Abbildung 2).

Ab wann ist postoperativ  Vollbelastung erlaubt?

 

39,22% verordnen postoperativ keine Flexionseinschränkung. 40,02 % hingegen verordnen eine Flexionseinschränkung von 90° post-OP. Hingegen ist eine Extensionseinschränkung nur bei insgesamt 13,22% der Operateure fester Bestandteil ihres Nachbehandlungsschemas  (siehe Abbildung 3).

Verordnen Sie eine Flexionseinschränkung postoperativ?

 

Nur 15,69% verordnen postoperativ keine Orthese. Die restlichen Befragten setzen postoperativ eine Orthese – vorwiegend Hartrahmen mit Gelenk (95,56%) ein (siehe Abbildung 4). Ein Teilnehmer verwendet laut seinen Angaben Internal Braces.

Verordnen Sie postoperativ eine Orthese ?

 

Die knappe Mehrheit (58,82%) verwendet eine CPM (continuous passive motion)-Schiene. Nahezu die Hälfte wendet ein Muskelstimulationsgerät an (50,98%).

Bezüglich der physiotherapeutischen Nachbehandlung erlauben 76% ein Training gegen Widerstand in den ersten 6 Wochen, wobei das Training in geschlossener Kette (91,67%) und isometrisches Training (81,25%) bevorzugt wurde. Mehrfachnennungen waren hier möglich. Ebenfalls wurde ein konzentrisches Training mit 37,5% dem exzentrischem Training (18,75%) vorgezogen.

Da für Patienten die Rückkehr in den Alltag und in den (Freizeit-)Sport eine große Rolle spielt, bezog sich ein weiterer Schwerpunkt unserer Fragestellung darauf. So erlauben 42% der Befragten nach 2 Wochen und 34% 6 Wochen post-operativ in der Regel das AutofahrenRadfahren ist bei 30% nach 2 Wochen und bei 50% nach 6 Wochen postoperativ möglich. Knien dürfen die Patienten bei 66,67% nach 6 Wochen. Die Mehrheit erlaubt Sprünge ca. 3 Monate nach dem operativen Eingriff (62%).

Bezüglich des Wiedereintrittes in den Sport erlauben 66% das Joggen nach 3 Monaten und 22% nach 6 Wochen. Ein Teilnehmer gab in den freien Kommentaren an, Joggen je nach Operationstechnik unterschiedlich zuzulassen. Laut seinen Angaben sei bei Semitendinosus-all-inside-Technik Joggen nach 3 Monaten und bei Verwendung der Quadricepssehne Joggen bereits nach 6 Wochen erlaubt. Skifahren ist vorwiegend erst nach 6 Monaten (23,53%) oder 12 Monaten (52,94%) für die Patienten freigegeben. Sowohl Mannschafts- als auch Kontaktsport wird in der Regel erst nach 6 (29,41% bzw. 25,49%) oder 12 Monaten wieder aufgenommen (47,06% bzw. 52,94%).

Für eine erfolgreiche Rehabilitation ist eine interdisziplinäre Verständigung notwendig. 56,86% der Operateure geben an, oft Rückmeldung der nachbehandelnden Physiotherapeuten zu erhalten. Hingegen geben 31,7% an, selten bezüglich des Behandlungsverlaufes ihres Patienten informiert zu werden (siehe Abbildung 5).

Erhalten Sie regelmäßig  Rückmeldung von den nachbehandelnden Physiotherapeuten über den Behandlungsverlauf ?

 

Vor Wiedereintritt in den Sport führen 74,51% Return-to-sport-spezifische Tests durch (siehe Abbildung 6). Bei den freien Kommentaren erwähnte ein Teilnehmer, dass er den Single-Hop-Test und isokinetische Kraftmessungen im Seitenvergleich (LSIs) als Testbatterie verwendet. Ein weiterer Befragter führt laut eigenen Angaben „Back in action“-Tests als Return-to-sport-Batterie durch. 

Führen Sie vor dem Return-to-sport spezifische Tests durch? Wenn ja, welche?

 

Eine valide praxistaugliche Testbatterie würden sich über 90,2% der Operateure wünschen.

 

Diskussion:

Nach wie vor besteht kein einheitliches Nachbehandlungsschema nach isolierter Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes. Anhand der aktuell erhobenen Daten zeigt sich eine Diskrepanz sowohl bezüglich der direkten postoperativen Nachbehandlung als auch bezüglich des Zeitpunktes der Rückkehr zu Alltagsverrichtungen und in den Sport.

Vergleicht man die aktuelle Umfrage mit den von Petersen und Zantop erhobenen Daten 2013 („Return to play following ACL reconstruction: survey among experienced arthroscopic surgeons“; Arch Orthop Trauma Surg (2013) 133: 969-977), so lassen sich hier teilweise Unterschiede erkennen. Während 2013 in der Umfrage von Petersen/Zantop  die Hälfte der Chirurgen Krafttraining erst ab dem 4. Monat und nahezu die andere Hälfte ab dem 6. Monat zuließen, erlauben in unsere Umfrage 76% der Befragten Training gegen Widerstand in den ersten 6 Wochen postoperativ. In der Umfrage von Petersen/Zantop sind die am häufigsten benutzen Kriterien zum Return-to-sport der Lachman-Test, gefolgt von freier Range of motion und dem Pivot-Shift-Test. 39% der Chirurgen verwendeten den Single-Hop-Test und 16,1% den KT-1000-Test. In unserer Umfrage verwendeten nur 15,22% der Befragten den Single-Hop-Test und knappe 2% den KT-1000-Test. Freie Kommentare bezüglich der sonst verwendeten Tests gab es bis auf die zwei oben erwähnten Ergänzungen nicht, sodass in unserer Umfrage ein großer Teil keine nähere Beurteilung zulässt. Auch bezüglich des Widereintrittes in den Sport zeigen sich im Vergleich Differenzen, wobei die Fragestellung zum Teil bei beiden Umfragen unterschiedlich gewählt ist, beziehungsweise in unserer aktuellen Umfrage zwischen Alltagstätigkeiten und verschiedenen Sportarten unterschieden wurde.

Mayr et al. zeigte in einer prospektiv randomisierten Studie, dass eine postoperative Orthesenversorgung im Langzeit-Follow-up von 4 Jahren kein verbessertes klinisches Ergebnis im Vergleich zur Nachbehandlung ohne Orthese hat (Mayr et al. “Brace or no-brace after ACL graft? Four-year results of a prospective clinical trial”; Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc (2014) 22:1156–1162). Dennoch entscheiden sich 95,56% unserer Befragten zu einer postoperativen Orthesenversorgung – vorwiegend mit Hartrahmen.

Ebenso wird bei den Umfrageergebnissen zur postoperativen Flexionseinschränkung, der Verordnung einer CPM-Schiene und der Verordnung eines Muskelstimulationsgerätes die Diskrepanz in den bestehenden Nachbehandlungsschemata besonders deutlich. Hier entschieden sich jeweils nahezu die Hälfte der Befragten für und die andere Hälfte gegen eine entsprechende Verordnung. Bei der direkt erlaubten postoperativen Belastung ist ebenfalls keine klare Empfehlung seitens der Befragten zu erkennen (sofortige Belastung knapp 14%, Belastung nach 2 Wochen ca. 50%, Belastung nach 4 Wochen ca. 31%).

Generell zeigt jedoch allein der Vergleich der oben genannten Datensätze, wie unterschiedlich die postoperative Nachbehandlung nach isolierter Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes gehandhabt wird. In einem weiteren Schritt möchten wir die Umfrage erweitern, um noch differenziertere Ergebnisse zu erhalten. 

Christina Valle, Marcus Schmitt-Sody


Prof.Dr. med. Marcus Schmitt-Sody, Medical Park Chiemsee
Vorsitzender des AGA-Komitees „Prävention, konservative Therapie und Rehabilitation“

Dr. med. Christina Valle, Medical Park Chiemsee
Stellv. Vorsitzende des AGA-Komitees „Prävention, konservative Therapie und Rehabilitation“


Kontakt: aga-komiteeschello.at


Sehen Sie hier die komplette Auswertung der Umfrage.